Einführung
Geschäftsunfähige Erwachsene waren aufgrund von "Sucht, Geistesschwäche oder Verschwendung" bis
zur Novellierung des Vormundschaftsrechts im Jahr 1992 Kindern unter 7 Jahren gleichgestellt
(§ 104 Ziffer 3 BGB alte Fassung). "Unter Vormundschaft gestellte" bedurften ohne Rücksicht auf Teilfähigkeiten oder begrenzte Ausfälle zu einer wirksamen
Willenserklärung grundsätzlich der Zustimmung ihres Vormunds.
Einer Prüfung in Hinblick auf die
Menschenwürde (Entfaltung der Persönlichkeit und Rechtsgarantien bei Freiheit
entziehenden Maßnahmen) konnte diese Rechtssprechung nicht standhalten. Das seit 1992 gültige Betreuungsgesetz hat das Ziel,
Hilfen soweit wie möglich, Zwang und Einschränkungen jedoch nur als Ausnahme und
kontrolliert zuzulassen.
Die Reform des Betreuungs- und Vormundschaftsrechts zum 1. Januar 2023 stärkt die Selbstbestimmung von betreuten Menschen und die Qualität der rechtlichen Betreuung. Die Stärkung der Selbstbestimmung betreuter Menschen soll durch folgende Änderungen im Betreuungsrecht erreicht werden:
Sicherung der Qualität der beruflichen Betreuung
Der Zugang zum Betreuerberuf ist seit dem 1. Januar 2023 an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Hierzu zählen:
Anbindung ehrenamtlicher Betreuer an Betreuungsvereine
Die Anbindung von ehrenamtlichen Betreuern an Betreuungsvereine soll durch das neue Betreuungsrecht gestärkt werden. Ehrenamtliche Betreuer können künftig mit einem anerkannten Betreuungsverein eine Vereinbarung über eine Begleitung und Unterstützung abschließen. Ehrenamtliche Betreuer ohne familiäre Beziehung oder persönliche Bindung zum Betreuten dürfen in der Regel nur bestellt werden, wenn sie eine solche Vereinbarung nachweisen. Hierdurch soll eine konstante kompetente Beratung und Unterstützung der ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer erreicht werden.
Notvertretungsrecht für Ehegatten
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts zum 1. Januar 2023 wird das Bürgerliche Gesetzbuch um ein beschränktes Recht von Ehegatten auf gegenseitige Vertretung in Angelegenheiten der Gesundheitssorge ergänzt. Das Vertretungsrecht nach § 1358 BGB greift, wenn ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge nicht mehr besorgen kann. Es bezieht sich insbesondere auf die Einwilligung in ärztliche Eingriffe und den Abschluss von Behandlungsverträgen. Das Notvertretungsrecht ist zeitlich auf maximal sechs Monate begrenzt. Das Ehegattennotvertretungsrecht ist nachrangig zu einer bestehenden Betreuung oder Vorsorgevollmacht.
Betreuungsvoraussetzungen / Aufgaben einer Betreuung
Für volljährige Menschen, die auf Grund
von Alter, Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage sind, ihre
Angelegenheiten allein zu besorgen, wird vom Betreuungsgericht ein Betreuer
bestellt.
Dieses bedeutet natürlich nicht, dass in jedem Fall
für diesen Personenkreis ein Betreuer bestellt wird. Oft können verschiedene
Aufgaben auch durch Bevollmächtigte erledigt werden. Ein Betreuer darf auch nur
für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen eine Betreuung erforderlich ist.
Das Statement des NRW-Justizministers Wolfgang Gerhards vom 10.06.2003 anlässlich der
Pressekonferenz im Düsseldorfer Landtag zum Thema "Nachbesserung des
Betreuungsrechts" hat auch nach mehr als 20 Jahren weiterhin Gültigkeit.
"[...] Die Betreuung hat die Aufgabe, krankheitsbedingte rechtliche
Defizite auszugleichen. So werden geistig behinderte und psychisch oder seelisch
kranke Menschen vielfach nicht in der Lage sein, Verträge abzuschließen oder zu
erfüllen, dem Beratungsgespräch eines Arztes zur Vorbereitung einer
medizinischen Behandlung zu folgen oder im Umgang mit Behörden ihre Rechte zu
vertreten. Sie bedürfen deshalb eines Betreuers für Rechtsangelegenheiten. Mit
dieser Hilfestellung ist jedoch auch eine Entrechtung verbunden, da der Betreuer
anstelle des betroffenen Menschen als gesetzlicher Vertreter handelt. Diese
Entrechtung, die von Vielen als Bevormundung und Entmündigung empfunden wird,
ist nur gerechtfertigt, wenn andere Hilfen nicht zur Verfügung stehen oder
versagen. Das Betreuungsrecht enthält deshalb die Prinzipien der
Subsidiarität, der Erforderlichkeit und der Rehabilitation:
Nach dem Prinzip der Subsidiarität darf ein Betreuer nicht bestellt
werden, wenn die Betroffenen ihre Angelegenheiten mittels einer
Vorsorgevollmacht geregelt haben oder andere Hilfestellungen wie die eigene
Familie, Nachbarn und Bekannte, das Heimpersonal oder allgemeine soziale Dienste
vorhanden sind, die die rechtlichen Defizite ausgleichen können.
Das Prinzip der Erforderlichkeit bestimmt weitergehend, dass selbst
im Falle einer Betreuungsbedürftigkeit die Betreuung nur und insoweit angeordnet
werden darf, wie der Betroffene seine rechtlichen Angelegenheiten selbst nicht
mehr verantwortlich regeln kann.
Schließlich verlangt das Prinzip der Rehabilitation, dass die
Betreuung darauf ausgerichtet ist, die Defizite der betroffenen Menschen -
soweit möglich - zu beseitigen und sie in ein vollständig selbst bestimmtes
Leben zurückzuführen. [...]"
Nach dem ab 1.7.2005 geltenden Recht darf gegen den
freien Willen eines Volljährigen kein Betreuer bestellt werden.
Bestellung eines Betreuers
Zum Betreuer für die gerichtlich
bestimmten Aufgaben kann das Amtsgericht eine geeignete Person, einen
Vereinsbetreuer, einen Betreuungsverein oder einen Behördenbetreuer bestellen.
Mitarbeiter eines Heims oder einer anderen Einrichtung, in der ein zu
betreuender Mensch wohnt, dürfen nicht zum Betreuer bestellt werden. In jedem
Fall ist der Vorschlag der volljährigen Person nach Bestellung einer bestimmten
Person zu berücksichtigen. Gleiches gilt, wenn jemand als Betreuer von der
volljährigen Person ausgeschlossen werden soll.
Pflichten des Betreuers
Der Betreuer vertritt den Betreuten in
seinem Aufgabenkreis gerichtlich und außergerichtlich. Die Angelegenheiten sind
so zu erledigen, wie es dem Wohl des Betreuten entspricht. Dazu gehören
insbesondere die Möglichkeit sein Leben nach
- eigenen Vorstellungen zu gestalten
- die Entsprechung von Wünschen des
Betreuten
- wichtige Angelegenheiten mit dem
Betreuten zu besprechen
- alle Möglichkeiten zu nutzen, die
Krankheit oder Behinderung des Betreuten zu beseitigen oder zu bessern
Nach dem ab 1.7.2005 geltenden Recht
muss in geeigneten Fällen auf Anordnung des Gerichts zu
Beginn der Betreuung ein Betreuungsplan erstellt werden, in dem Ziele der
Betreuung und die zu ihrer Erreichung zu ergreifenden Maßnahmen dargestellt
werden. Dieses gilt aber nur für berufsmäßig geführte Betreuungen.
Patientenverfügung/Schriftliche
Betreuungswünsche
Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger
für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in
bestimmte Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder
ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft
der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und
Behandlungssituation zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen
des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen.
Im Vorfeld eines Betreuungsverfahrens kann sich jeder darüber äußern, ob er eine bestimmte Person als Betreuer wünscht oder ausschließt ("Betreuungsverfügung"), oder aber seine Angelegenheiten lieber im Rahmen von Vollmachten erledigt wissen möchte. Die zum Betreuer zu bestellende Person oder die bevollmächtigte Person muss dieses aber schriftlich nachweisen können und im Fall eines Betreuungsverfahrens für die betroffene Person dem Amtsgericht vorlegen können.
Einwilligungsvorbehalt
Für bestimmte Aufgabenkreise kann das
Betreuungsgericht veranlassen, dass eine Willensentscheidung des Betreuten
nur mit Einwilligung des Betreuers rechtskräftig wird (Einwilligungsvorbehalt).
Hiervon ausgeschlossen sind
- die Eheschließung
- Verfügungen von Todes wegen
- Willenserklärungen, die nicht der Zustimmung des Betreuers bedürfen.
Genehmigungserfordernisse
Bei gefährlichen ärztlichen Eingriffen
bedarf es grundsätzlich der zusätzlichen Genehmigung des Betreuungsgerichts.
Gleiches gilt für die Einwilligung in eine Sterilisation, eine Unterbringung,
die mit Freiheitsentzug ("geschlossene Unterbringung") - auch durch mechanische
Vorrichtungen oder Medikamente - verbunden ist, oder bei allen Angelegenheiten,
die ein Mietsverhältnis betreffen, in dem sich ein Betreuter befindet.
Dauer einer Betreuung
Die Betreuung endet mit dem Tod des
Betreuten. Dem Betreuungsgericht ist mitzuteilen, wenn eine Betreuung
vorzeitig aufzuheben oder zu ändern ist. Gleiches gilt für den Wunsch nach
Wechsel des Betreuers durch den Betreuten oder die Niederlegung des Amtes aus
wichtigen Gründen.
Betreuungsvereine, sonstiges
Die Aufgaben eines Betreuers können
auch durch einen Betreuungsverein, wie zum Beispiel die BUNTSTIFTE oder durch
einen Vereinsbetreuer erledigt werden.
Ende der Kurzinformation "Betreuungsgesetz"